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Let's bring down the house - Eine musikalische Reise

Es gibt eine Sache, die mich über meinen gesamten Stay begleitet hat: Musik.

Musik kann die unterschiedlichsten Gefühle hervorrufen, unsere Laune beeinflussen, uns manchmal aus der Seele sprechen, Trost spenden und sogar in gewisser Weise Gesellschaft leisten – kurz: Musik ist großartig.

Darüber hinaus verknüpfen wir sie mit Erinnerungen… Es gibt so viele Songs, die konkrete Bilder in mir wachrufen und mich Situationen gefühlsmäßig noch einmal nachempfinden lassen, etwa weil ich den Song zu dieser Zeit viel gehört habe. Manche Lieder sind auch nur einzig und allein deswegen gut oder aber ich kann sie nicht ausstehen, weil ich an bestimmte Dinge nicht erinnert werden möchte – wer kennt es nicht?

Dasselbe gilt für meine Reise. Während des Farmstays war es vor allem Country-Musik, die mich im Alltag umgeben hat.

Bis dahin hatte ich noch wenig mit diesem Genre zu tun, in Deutschland ist die Szene ja eher unpopulär. Das liegt sicher auch an den Themen der Songs, deren Lyrics sich häufig stark auf Nordamerika und das Country Life beziehen.

Cowboyhüte, Boots und Line Dance – Country ist die Klischeemusik der Westernkultur. Ich muss sagen, ich habe sie über die Monate sehr liebgewonnen. Weil wir 24/7 Country-Radio gehört haben (und Wehe dem, der es gewagt hat, das Radio anzufassen), blieb mir eigentlich auch gar nichts anderes übrig, haha. Viele Lieder konnte ich irgendwann auswendig, weil sie sich täglich mindestens dreimal beim Abwaschen, Kochen und Eiersortieren in mein Gedächtnis eingebrannt haben…

Charakteristisch für die Country-Musik der Gegenwart sind aus meiner Sicht die überwiegend leichten, heiteren und eher simplen Melodien (Achtung, Ohrwurmgefahr!). Die Lyrics sind in der Regel gut verständlich, narrativ sowie mit bildhafter Umgangssprache und Humor versehen. Viele Songs sind zudem ziemlich direkt und scheuen sich nicht vor anzüglichen Zeilen und Doppeldeutigkeit ;D

Hauptcontent ist (wie so oft) die Liebe und das beschauliche, familiäre und idealisierte Landleben.

Ich weiß das Gute-Laune-Feeling zu schätzen, es gibt aber auch Lieder, die tiefergehen und in denen z.B. Verluste und negative Empfindungen verarbeitet oder unter Umständen sogar philosophische Fragen gestellt werden. Religion und Gläubigkeit spiegeln sich ebenfalls stellenweise in den Zeilen wider.

Mir ist auch aufgefallen, dass es in diesem Feld viele Musikerduos gibt z.B. die High Valley und The Lovelocks aus Kanada oder Florida Georgia Line und Dan + Shay in den Vereinigten Staaten.


Interessant ist auch die Entwicklung der Stilrichtung, auf die ich hier zumindest überblicksartig eingehen möchte – Country ist nämlich unglaublich vielseitig, was viele vielleicht gar nicht denken würden…

(An alle Geschichtsbanausen unter euch: Zwar würdet ihr mit diesem Kapitel natürlich etwas verpassen und meine mühsame Recherchearbeit unzureichend würdigen – ihr könnt im Falle von intellektueller Verzweiflung, Geschichtsphobie oder schulischer Traumata aber gegebenenfalls auch einfach zum nächsten großen Absatz springen :p)

Begonnen hat alles als „Old-Time“ Musik – oder auch „Hillbilly“ (dt.: Hinterwäldler) genannt – in den frühen 1920ern, als sich die neue Stilrichtung allmählich aus der Volksmusik der Einwanderer und „Mountain Musik“ in den amerikanischen Südstaaten herausentwickelte. Traditionell drehten die Themen sich um das harte Leben auf dem Land, fernab der schnellen industriellen Entwicklung und des wachsenden Wohlstands in anderen Teilen des Landes. Jimmy Rodgers und die Carter Family sind Namen der ersten Countrygrößen.

Der Cowboy-Look hingegen wurde erst am Ende des Jahrzehnts durch Hollywoods Filmproduktionen eingeführt, die die Idee des „Singing Cowboys“ als heiteres Gegenkonzept zu den Folgen der Weltwirtschaftskrise entwarfen: Ein Cowboy, der zu seinem Glück nichts weiter als sein Pferd und seine Gitarre brauchte und dem deshalb außerdem die Frauen zu Füßen lagen. An dieser Fantasie haben viele Musiker Gefallen gefunden und Hüte und Boots seither als Markenzeichen etabliert.

In den 1930ern entstand durch die Kombination mit Blues- und Jazz-Elementen der „Western Swing“ und - ausgehend von Texas - sorgte „Honky Tonk“ mit seinen elektrisch verstärkten Instrumenten in etwa zeitgleich für Stimmung in den Dance Halls.

In den 40er-Jahren entwickelte sich dann die Stilrichtung „Bluegrass“, die heute noch sehr beliebt ist. Zu den bekanntesten Stars dieser Zeit gehören Bill Monroe und Hank Williams.

Der „Rock'n'Roll“ war mit Sicherheit der Haupteinfluss der 50er und 60er und hat die Country-Musik mit „Rockabilly“ und „Country-Rock“ gleich zu mehreren neuen Stilrichtungen inspiriert. Gleichzeitig sah die Szene sich wohl genötigt, durch die zunehmende Einbindung von Pop-Elementen mit dem „Nashville Sound“ dagegenzuhalten.

Tatsächlich gewann dieser Country-Pops in den 1970ern zum Beispiel mit John Denver, Dolly Parton, Kenny Rogers und der Kanadierin Anne Murray enorm an Popularität.

In den 80ern verstärkte sich dieser Trend noch weiter. Das veranlasste letztendlich eine wachsende Gruppe von Musikern zu einer Gegenbewegung, die mit den Popeinflüssen um alte Traditionen rang. Der daraus entstehende „New Country“ basierte auf diesen Ideen, hat sich dessen seit den 90ern jedoch deutlich entfremdet und gilt nun vielmehr als Sound der Country-Clubs (z.b. Dixie Chicks, Shania Twain). Parallel experimentierten Anhänger des „Alternative Country“ mit Elementen und Mindset der Punkkultur.

Oftmals lassen sich Künstler nicht einer einzigen Strömung zuordnen. Berühmte Sänger wie Willie Nielson und Country-Legende Johnny Cash haben im Laufe ihrer Karrieren die verschiedenen Einflüsse über mehrere Jahrzehnte mitverfolgt, sich neuen Trends angeschlossen und dann wieder davon abgewandt. Ihre Songs könnten daher selbst als Reise durch die Country-Musikgeschichte aufgegriffen werden.

Mit Blick auf die Country-Musik der Gegenwart, gehen von den frühen Ursprüngen heute also viele Zweige aus, die verschiedene Genres kombinieren und die Grenzen allgemein verschwimmen lassen.

Während die Traditionalisten unter den Country-Musikern sich stark auf die Anfangszeit zurückbesinnen und an klassischen Instrumenten wie Banjo, Gitarre, Geige, Akkordeon, Mundharmonika und Co. festhält, sind andere deutlich experimenttierfreudiger. Diese Entwicklung hat, abgesehen von der Ausschöpfung neuer Möglichkeiten und der Auslebung musikalischer Kreativität, sicher auch kommerzielle Hintergründe. Durch Kooperationen und Annäherung insbesondere an den Popbereich wird sich ein breiteres Publikum erhofft. Ein Beispiel dafür ist der kürzlich erschienene Song „One Thing Right“, für den sich Musikproduzent und DJ Marshmello mit Country-Sänger Kane Brown zusammengetan hat. Mir persönlich gefällt das Ergebnis sehr gut und auch viele Country-Fans scheinen Gefallen an diesem modernen Stilmix zu finden, da „One Thing Right“ zum Nummer-1-Hit der Billboard Hot Country Charts aufgestiegen ist. In den All-Genre Hot 100 hat er sich immerhin unter den Top 40 platzieren können.

Noch deutlich übertroffen wird dieser Erfolg jedoch von einer Single, die in den letzten Monaten kaum an jemandem vorbeigegangen sein dürfte: „Old Town Road“ von Rapper und Country-Sänger Lil Nas X hat die Hot 100 über unglaubliche 17 Wochen angeführt und damit alle bisherigen Rekorde gebrochen…

Daneben ist Taylor Swift sicher ein perfektes Beispiel für jene Künstler, die durch geschicktes Kombinieren der unterschiedlichen Musikelemente, regelmäßig die allgemeinen Chartlisten stürmen und international große Erfolge feiern.

Hört man sich im Vergleich dazu nun Songs an wie etwa Jimmie Rodgers „Blue Yodel“ Series Ende der 1920er, Johnny Cashs ersten großen Hit „Walk The Line“ in den 5oern oder „Six Days On The Road“, gesungen von Dave Dudley zu Beginn der 60er, so wird wohl ziemlich deutlich, welchen weiten Weg die Country-Musik gegangen ist.

Eine Stadt, deren Name eigentlich immer in Zusammenhang mit Country fällt, ist Nashville. Die Hauptstadt des US-Bundesstaats Tennessee gilt bereits seit Mitte der 1920er als Hochburg des Genres, als dort die Radioshow Grand Ole Opry ins Leben gerufen wurde, die seitdem (!) wöchentlich Country-Konzerte überträgt. Seitdem haben sich dort nicht nur viele Musiklabels angesiedelt, sondern auch zahlreiche Clubs und „Honky-Tonk“-Bars etabliert. Zu jeder Zeit hat es viele berühmte Musiker deshalb früher oder später in die Stadt gezogen, um Platten aufzunehmen und einen Auftritt in der Kultshow zu ergattern, die vielen von ihnen zum Durchbruch verholfen hat.

An dieser Stelle noch ein kleiner Fun Fact: Sogar Elvis Presley hat einen Country-Background. Er ist in Tennessee geboren und hat seine spektakuläre Rock'n'Roll-Karriere als einer der ersten „Rockabilly“-Sänger begonnen! 1954 hatte er einen Auftritt in der Grand Ole Opry Show – seinen einzigen, denn es war ein ziemlicher Reinfall für ihn. Die neuartigen Klänge und seine ungewöhnliche Performance haben das Südstaaten-Publikum wohl so sehr geschockt, sodass der Manager ihm geraten haben soll, sich lieber wieder seinem Job als Truckfahrer zu widmen… Zum Glück hat Elvis nicht auf ihn gehört, haha :D

Das waren jetzt sehr viele Fakten und die meisten Namen sagen wahrscheinlich den wenigsten etwas. Ich hoffe trotzdem, dass ich einen kleinen und interessanten Einblick geben konnte. Allein die vielen Stilrichtungen lassen ja schon die Vielseitigkeit der Musikbranche deutlich werden.

Für alle, die jetzt neugierig geworden sind, habe ich zehn weitere (aktuelle) Country-Songs herausgesucht, die während meines Stays in irgendeiner Form wichtig für mich geworden sind. Ich habe bei der Auswahl außerdem versucht, einen möglichst vielseitigen Einblick zu geben – darunter finden sich langsame, schnelle, ältere und brandaktuelle, fröhliche, romantische, nachdenkliche, bekannte und weniger bekannte Lieder:


1. Heaven – Kane Brown

2. Bring Down the House – Dean Brody

3. homecoming queen? – Kelsea Ballerini

4. White Horse – Tenille Townes

5. Knockin´ Boots – Luke Bryan

6. Single Man – High Valley

7. Wide Open Spaces – Dixie Chicks

8. Knee Deep – Zac Brown Band (feat. Jimmy Buffett)

9. Worth a Shot – Aaron Pritchett

10. All To Myself – Dan + Shay



Aber natürlich höre ich in Kanada nicht ausschließlich Country-Musik. Die musikalische Vielfalt und die Charts unterscheiden sich da nicht wirklich von anderen Erdteilen wie Europa.

Ich finde es deshalb interessanter, uns hier auf kanadisch-stämmige Musikgrößen zu konzentrieren – Denn unerwähnt lassen möchte ich die anderen Musikbereiche in diesem Beitrag auf keinen Fall. Manche Namen werden den ein oder anderen sicher überraschen!

Dass Justin Bieber („Sorry“) und Shawn Mendes („Stitches“) Kanadier sind, haben die meisten wahrscheinlich noch mitbekommen.

Aber wusstet ihr, dass auch Avril Lavigne („Head Above Water“), Bryan Adams („Summer of '69“) und Drake („In My Feelings“) in Ontario geboren wurden?

Céline Dion („My Heart Will Go On“), Michael Bublé („It´s A Beautiful Day“)“), Carly Rae Jepsen („Call Me Maybe“) und Nelly Furtado („Say It Right“) haben ebenfalls kanadische Wurzeln.

Auch in Sachen Bands, hat Kanada einige prominente Namen anzubieten:

Zum Beispiel Nickelback („How You Remind Me“), Simple Plan („Summer Paradise“) oder die kürzlich aufgelöste Musikergruppe Rush („The Spirit of Radio“), die vor allen in den 80ern und 90ern größere Erfolge gefeiert hat.

Generell scheint das Land es mit den Rockbands zu haben, auch wenn sie verschiedene Subgenres vertreten: Theory of a Deadman (“Angel“) spielen Hardrock, Sum 41 („In Too Deep“) Punk und Finger Eleven („One Thing“) haben sich dem Alternative-Rock verschrieben. Die in Montreal gegründete Band Arcade Fire („Wake Up“) hat es wiederum mit ihren Indie-Rock-Alben an die Spitze der kanadischen, amerikanischen und britischen Charts geschafft und etliche Auszeichnungen erhalten, darunter sogar einen Grammy.

Jetzt habe ich euch sehr viele Namen entgegengeschleudert, aber der ein oder andere sagt euch bestimmt etwas (oder ihr habt mit Sicherheit einen der Songs gehört, auch wenn euch der Name nichts sagt :p).

Ich hoffe außerdem, dass ich mit diesem Beitrag der Country-Musik vielleicht ein paar mehr Sympathien, auf jeden Fall aber Interesse einbringen konnte. Mir war es einfach ein Anliegen, dem Thema für eine Weile meine Aufmerksamkeit zu widmen und ein wenig mit Klischees aufzuräumen – denn ich wurde selbst von diesem Genre überrascht und hatte viel Spaß bei der Recherche.

Für mich war es aber auch die Atmosphäre insgesamt: Ich fand es unglaublich faszinierend, in die Westernwelt einzutauchen und es ist schlicht und ergreifend ein tolles Erlebnis und Gefühl von Gemeinschaft, wenn alle gleichermaßen mit Boots und Hüten ihre Fähigkeiten im Line Dance zum Besten geben. Das hat der Musik noch einmal einen völlig neuen Charakter verliehen und wird wahrscheinlich eines meiner Highlights der gesamten Reise bleiben!


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