Endlich ist es soweit: Es folgt der Bericht, auf den schon viele gewartet haben. Das erste Update von der Ranch. Ich hänge mit meinen Beiträgen etwas hinterher, was daran liegt, dass ich einerseits kaum Zeit zum Schreiben finde und andererseits momentan nur begrenzt Internetzugang habe. Ein Grund, weshalb ich die ersten beiden Wochen zusammenfasse. Aber genug davon.
Wo befindet sich die Ranch? Was für Tiere gibt es? Was sind meine Aufgaben, was mache ich den ganzen Tag? Wie viele Leute arbeiten hier? Ist die Ranch so wie ich sie mir vorgestellt habe? Was habe ich bisher schon erlebt? Wie gefällt es mir bisher?
Viele Fragen, die ich in diesem Blogbeitrag bestmöglich zu beantworten versuche.
Bei meiner Ankunft hat mich die Rancherin am Bahnhof in Edmonton eingesammelt. Die Provinzhauptstadt liegt eher im Norden Albertas, sie ist „das Tor zum Norden“. Die Ranch befindet sich noch ein Stück weiter östlich davon, zwischen den Orten Gibbons und Redwater im Sturgeon County. Es folgte deshalb eine etwa halbstündige Autofahrt auf dem Highway mit kurzem Zwischenstopp im Drive-in. Es war nämlich schon spätabends und ich am Verhungern. Definitiv nicht mein letzter Besuch beim Drive-in, aber dazu später mehr.
Als wir auf der Ranch angekommen sind, war es bereits stockdunkel. Außer mein Zimmer zu beziehen habe ich an dem Abend nichts mehr gemacht. Es ist nicht groß, dafür aber sehr gemütlich, mit vielen Brettern voller Bücher an den Wänden, Kissen und einem Sessel. Ich habe nachträglich noch ein paar mitgebrachte Lichterketten aufgehängt, um mich etwas mehr heimisch zu fühlen.
Am nächsten Tag habe ich dann erstmals die Ranch erkundet. Sie ist riesig. Für kanadische Verhältnisse mag das nicht einmal stimmen, aber für unsereiner auf jeden Fall. Die erste Woche habe ich mich noch nicht so wirklich zurechtgefunden – an einem Tag habe ich mich hoffnungslos auf dem Weg in den Garten verlaufen. Letztendlich habe ich vor lauter Verzweiflung sogar eine Art Lageplan angefertigt, um mir die Gebäude und Flächen besser einzuprägen :D
Am Anfang dachte ich, ich würde mich hier niemals zurechtfinden, aber was das angeht, kann ich beruhigen: Mittlerweile habe ich eigentlich keine Probleme mehr. Wenn dann eher noch im Haus, in der Küche zum Beispiel.
Dafür ist die Ranch herrlich klischeehaft, womit ich, ehrlich gesagt, nicht gerechnet habe: Viel Holz, überall selbst bemalte Schilder, Bilder von Cowboys, Krüge, Tassen und Figuren mit Westernmotiven, Kachelkommoden, Kamine – und den ganzen Tag läuft Countrymusik im Radio. Hinzu kommen die Nachbarorte mit bildhaften Namen, die auch aus einer Netflix-Serie stammen könnten (Smoky Lake, Redwater, Thorhild, Cold Lake, Fort Saskatchewan, …)
Auf der Ranch gibt es drei Hunde, zwei Katzen, über einhundert Hühner, Kühe, Bienen und geschätzt 60 Pferde. Und jede Menge ungebetene Moskitos. Die letzten Monate waren ungewöhnlich regenreich, weshalb es diesen Sommer fast schon einer Plage gleichkommt…
Am Anfang waren neben der Rancherin und ihrem Mann noch zwei andere Mädchen hier, die zu dem Zeitpunkt bereits einige Wochen auf der Ranch verbracht hatten. Sie haben mir ein paar Sachen zeigen können, quasi als kleine Einführung. Allerdings haben sie aufgrund von Unstimmigkeiten bereits wenige Tage nach meiner Ankunft die Ranch vorzeitig verlassen. Das war für mich nicht so schön mitzuerleben, aber leider nicht zu ändern. Außer mir gibt es daher im Moment keine anderen dauerhaften Hilfskräfte. Einzig die Tochter eines befreundeten Ranchers, die immer mal wieder für Arbeiten angeheuert wird.
Hinzu kamen jede Menge neue Begriffe, Maschinen und Aufgaben, sodass ich abends immer völlig platt war – was meistens immer noch der Fall ist. Denn die Arbeit ist hart und leicht zu unterschätzen.
Mein Tag beginnt in der Regel um neun. Bis dahin nutze ich die Zeit, um mich fertigzumachen, zu frühstücken und häufig auch um ein Workout zu machen (die Muskeln braucht man hier definitiv). Dann füttere ich als erstes die Pferde und sammele Eier im Hühnerstall, die anschließend gesäubert werden. Abgesehen vom Abwasch und dem regelmäßigen Eiersammeln über den Vormittag variieren die Aufgaben von Tag zu Tag. Zäune flicken und streichen, Heulieferungen, Gartenarbeit, Kühe treiben und sortieren, Eier und Honig verkaufen, die Pferde zum Hufschmied bringen, Rasenmähen und natürlich jede Menge saubermachen – all das habe ich in der kurzen Zeit schon gemacht. Als letztes füttere ich abends gegen 19 Uhr noch einmal die Pferde und die Hunde.
Natürlich läuft bei all den Aufgaben nicht immer alles rund, allein schon dadurch, dass ich vieles noch nie zuvor gemacht habe. Beim Nägel-gerade-hämmern habe ich beispielsweise den Nagel verfehlt und stattdessen meinen Finger getroffen oder beim Pfannkuchenmachen vor lauter Ungeduld letztendlich Kaiserschmarrn produziert – Well, shit happens, I guess :)
Im Grunde verbringe ich den ganzen Tag draußen und es gibt wirklich immer etwas zu tun. Ein wirklich anstrengender Alltag, an den ich mich immer noch gewöhnen muss. Reiten tue ich natürlich zwischendurch auch, aber längst nicht jeden Tag. Die anderen Arbeiten haben Priorität. Es ist auf jeden Fall eine Umstellung von Englisch auf Western, aber man gewöhnt sich daran und es macht sehr viel Spaß :)
Einzig die Wochenendaktivitäten sehen meistens etwas anders aus. Natürlich müssen die morgendlichen und abendlichen Aufgaben genauso wie an allen anderen Tagen erledigt werden – aber meistens unternehmen wir etwas, um etwas Abwechslung in den Alltag zu bringen und natürlich auch, damit ich die Gegend und die kanadische Kultur besser kennenlerne. An meinem ersten Wochenende hier haben wir zum Beispiel ein Rodeo besucht – Western-Feeling pur, sogar die Kleinkinder trugen Jeans, Gürtel, Mini-Boots und verhältnismäßig überdimensionale Cowboyhüte, haha.
Am zweiten Wochenende waren wir in Edmonton auf dem Farmer’s Market, sind mit einer antiken Straßenbahn zum Ledge (quasi das Parlament) gefahren und waren zum Schluss noch in einer der vielen großen Malls (Einkaufszentren).
Außerdem fahren wir an einem Tag der Woche in der Regel einkaufen. Mit zwei Gärten, Hühnern und Honigbienen sind wir, was Lebensmittel angeht, zwar ziemlich gut versorgt, aber alles andere muss trotzdem regelmäßig nachgekauft werden. Einkaufen bedeutet hier übrigens normalerweise einen Autotrip von vier bis sechs Stunden: Erst einmal muss der Weg in die Stadt zurückgelegt werden und die verschiedenen Shops sind auch selten alle an einem Ort. Für kleinere Einkäufe reicht meistens die Fahrt in eine der nähergelegenen Towns der Umgebung. Auf diesen Touren kommen meistens die Drive-ins ins Spiel. Die gibt es wirklich überall – und wenn es nur für einen Kaffee bei Starbucks ist.
Generell ist hier wirklich einiges anders als bei uns in Deutschland oder anderen europäischen Ländern. Das fängt bei den Autos an (hier scheint tatsächlich ausnahmslos jeder einen Truck oder Pick-up zu besitzen) und hört bei den Messgrößen für Backzutaten auf (Kuchenbacken wird zur Herausforderung, wenn statt einer Waage einzig „Cups“ und verschiedene Löffelgrößen zur verfügen stehen). Auch die Meinungen zum Klimawandel gehen teilweise weit auseinander, genauso wie die Einstellung zu Privatsphäre, Arbeit und anderen Menschen gegenüber – auch wenn sich das selbstverständlich nicht pauschalisieren lässt. Fakt ist, dass verschiedene Kulturen aufeinandertreffen. Sicher könnten die Unterschiede noch extremer sein, dennoch zeichnen sie sich stellenweise eben mehr oder weniger deutlich ab.
Auch die Entfernungen hier sind grundsätzlich anders: Die Ranch ist zwar unmittelbar am Highway gelegen, aber andere Häuser oder Anwesen sind nicht in unmittelbarer Nähe. Hier ist das völlig normal, aber es ist definitiv eine Umstellung, wenn man es wie in Deutschland gewohnt ist, dass das „Land“ mehr aus Dörfern als aus alleinstehenden Häusern besteht und man eigentlich immer und überall mindestens einen Nachbarn sieht. Die „Nachbarn“ hier wohnen dagegen nicht selten über einen Kilometer weit weg. Man sitzt gewissermaßen den ganzen Tag mit denselben Leuten fest, dessen sollte man sich bewusst sein.
Genauso wie der Tatsache, dass die Farmarbeit nicht leicht ist. Die Tage sind lang und anstrengend, es gibt kaum Pausen zwischendurch und danach bin ich in der Regel müde. Es gilt: No days off. Was das angeht haben vielleicht viele eine falsche Vorstellung…
Ich habe mir von vornherein gesagt, dass es anstrengend werden wird, aber auch ich habe vor allem die Menge an Arbeit unterschätzt. Da freut man sich wirklich mal über Regentage, wenn alles gezwungenermaßen etwas langsamer zugeht. Nichtsdestotrotz gefällt es mir bisher gut, es ist toll, den ganzen Tag von Tieren umgeben zu sein und so viel Neues lernen zu dürfen – auch wenn gerade zum Anfang vielleicht alles ein bisschen zu viel ist und ich mich vor lauter neuen Eindrücken und Sachen, die ich mir merken soll, geradezu überrollt fühle. Ich bin hier sogar zum Kaffeetrinker mutiert. Derartige Level der Erschöpfung erfordern auf jeden Fall Opfer und besondere Maßnahmen :‘D
Langsam habe ich mich aber schon ein bisschen eingelebt, finde mich besser zurecht und die immer wiederkehrenden Aufgaben gehen ganz allmählich in Alltag über. Was fehlt sind einzig die ruhigen Stunden, die es braucht, das alles zu verarbeiten. Die hätte ich wirklich dringend nötig.
Ich halte euch auf dem Laufenden!
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