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Update: Woche 8

Die meisten Aufgaben auf der Farm gehen für mich zwar mittlerweile in Alltag über, langweilig wird es aber trotzdem nicht. In der letzten Woche war nämlich wieder einiges los und ich durfte viel Neues lernen.

Angefangen mit der Massagetherapeutin, die drei Pferde hier behandelt hat. Unter ihnen Phantom. Wir durften Fragen stellen und sie hat uns bereitwillig einige ihrer Handgriffe gezeigt und erklärt. Phantom hat aufgrund seines Alters und eines Trailer-Unfalls einige „Baustellen“, was seinen Körper und die Muskulatur anbelangt. Die (oberflächlichen) Muskeln sind das Hauptgebiet, das für die Massagetherapeutin von Interesse ist. Sie hat mir ein paar gezielte Übungen für Phantom angeraten (quasi ein Pferde-Workout :p), die ich seitdem nahezu täglich mit ihm gemacht habe. Außerdem massiere ich ihn an Rücken, Hüfte und Nacken. Und es scheint sich tatsächlich auszuzahlen, denn ihm geht es sichtlich besser: Seine Bewegungen sind fließender, sein Rücken schwingt und er tobt sogar mit den beiden Jährlingen umher! Es ist erstaunlich, was so ein paar Übungen bewirken können – anfangs war ich eher besorgt, möglicherweise etwas falsch zu machen… Umso mehr freut es mich zuzusehen, wie gut es Phantom seitdem geht. Das Gefühl, ihm helfen zu können, macht mich glücklich.

Für den nächsten Tag war eigentlich ein Trail-Ritt geplant, der dann allerdings gecancelt wurde. An die sich ständig ändernden Pläne habe ich mich leider schon fast gewöhnt.

Stattdessen war dann plötzlich der Hufschied da, mit dem wir eigentlich erst eine Woche später gerechnet hatten. Naja, it is what it is. Weil ich den Schmied so gerne mag, hat mich das aber mehr gefreut als gestört. Zwar waren an dem Tag sehr viele Pferde bei ihm angemeldet, von denen nicht alle die gleichen Sympathien für ihn aufbringen konnten. Aber wenigstens waren wir den halben Tag beschäftigt. Die übrigen Stunden haben wir die Übungen mit den Pferden gemacht, Futter gemischt, gebacken und schließlich den Hundenapf gesucht, den einer der Hunde mit Vorliebe herumschleppt. Normalerweise endet der Napf wieder in seinem Auslauf – gerade war allerdings eine der Hündinnen läufig und dass sie immer nur getrennt draußen sein konnten, hat den armen Kerl zusehends zur Verzweiflung getrieben. Er hat seine Hütte neben ihrem Auslauf tagelang ausschließlich zum Wassertrinken verlassen. Und um besagten Napf irgendwo im Gebüsch liegenzulassen…

Die Freude, als sie am nächsten Tag endlich wiedervereint waren, war dementsprechend groß. Und wir erleichtert, dass die Aufregung ein Ende hatte. Es war wirklich kaum mehr mitanzusehen.

Wir Mädels waren fast den Tag über alleine auf der Farm. Wir haben Tomaten und Kartoffeln geerntet (das Gemüse ist hier teilweise seltsam deformiert, sodass sich mit ein bisschen Fantasie nahezu alles in ihre Formen hineininterpretieren lässt :D). Weil langsam aber sicher Frost erwartet wird, haben wir außerdem die Schläuche des Bewässerungssystems aus den Gärten entfernt.

Mittags war dann die Chiropraktikerin da, die sich – im Gegensatz zur Massagetherapeutin – mehr mit Gelenken u.ä. auseinandersetzt. Sie hatte zwar nicht viel Zeit, aber es war trotzdem sehr interessant ihr zuzusehen.

Um das Bienenwachs, das wir bei der Honigproduktion aufgefangen haben, haben wir uns auch gekümmert. Es sieht zunächst nicht so schön ebenmäßig und sauber aus, wie sich die meisten Wachs wahrscheinlich vorstellen – Ich würde es vielmehr als Gemisch aus Wachs, Honig, Pollen und toten Bienen beschreiben… Das Wachs wird dann durch mehrmaliges Erhitzen in Wasser allmählich gesäubert. Das funktioniert aufgrund der unterschiedlichen Masse bzw. Dichte der Bestandteile: Das Wachs ist sehr leicht und erhärtet deshalb später direkt an der Oberfläche, während die schwereren Bienenpartikel sich an der Unterseite sammeln. Diese ungewünschte Schicht kann man anschließend abschaben. Der Honig löst sich mehr oder weniger im Wasser. Danach wiederholt sich der ganze Prozess bis das Wachs gänzlich rein ist. Das Endergebnis ist wirklich sehr schön anzusehen, ganz besonders, nachdem ich seine eher unappetitlichen Anfänge (hier auch liebevoll als „Beesoup“ bezeichnet xp) gesehen habe.

Später haben wir noch Wasser verteilt und haben eine ganze Zeit lang damit verbracht, Milo auf der Weide zu suchen. Das Mädchen, das ihn im Moment reitet, konnte ihn auf der Weide einfach nicht finden. Das ist allerdings wirklich gar nicht so einfach, denn die Weide ist riesig, zudem bewaldet und momentan stehen dort nur vier Wallache. Es gibt also jede Menge Versteckmöglichkeiten, wenn ein Pferd beschließt, lieber nicht gefunden werden und stattdessen das letzte saftige Gras genießen zu wollen, haha ;D

Abends gab es teilweise unglaublich schönes, golden-herbstliches Licht. Zu der Zeit bin ich deshalb mit Vorliebe über das Farmgelände geritten oder spaziert. Es wird jetzt zunehmend und vor allem spürbar später hell und früher dunkel. An einem Morgen bin ich plötzlich wirklich im Dunkeln aufgewacht und kann das Fortschreiten seitdem täglich beobachten.

Außerdem sind die Gänse nun da. Das heißt, eigentlich gehen sie. Aber ich sehe sie in immer größerer Zahl am Himmel. Sie ziehen in ihren markanten Formationen vorüber. Die Tiere spüren, dass der Winter naht…

Am Wochenende sind wir dann (endlich!) mal wieder in die Stadt gefahren. Nachdem ich eine ganze Woche lang durchgehend auf der Ranch verbracht habe, war das dringend nötig. Ich muss einfach zwischendurch etwas anderes sehen. Es ist lustig, weil ich als Stadtkind ja unbedingt für eine Zeit raus aus dieser Umgebung wollte. Aber mittlerweile merke ich, dass ich die Stadt schon irgendwo vermisse. Ich spüre auf jeden Fall, dass es mir guttut, wenn wir uns hin und wieder in Edmonton aufhalten. Ich glaube, mir fehlen vor allem die lebendigen Straßen und die Menschen. Einsam bin ich auf der Farm ja wirklich nicht – ganz im Gegenteil. Ich glaube aber, dass das nicht dasselbe ist. Die Menschenmassen in der Stadt sind anonymer. Sie sind da und um einen herum, jedoch ohne dass man sich näher kennt oder sonst wie in Kontakt steht. Bis auf einen flüchtigen Blick, ein kleines Lächeln oder ein paar unverbindliche Worte vielleicht. Gesichter, die sich nicht dauerhaft einprägen, sondern einfach vorüberziehen.

Wir sind zurückgekehrt in die 124th Street. Nicht für die Kunstgalerien, aber zumindest für ein leckeres Mittagessen in dem populären Restaurant, in dem wir schon bei unserem ersten Besuch gegessen haben.

Anschließend durfte ich dann endlich das River Valley bestaunen. (den Verdauungsspaziergang hatten wir auch wirklich nötig). Dabei handelt es sich um Kanadas größtes Parksystem. Es setzt sich quasi aus vielen zusammenhängenden Parks entlang des North Saskatchewan Rivers zusammen. Man kann dort theoretisch auch reiten und im Winter kilometerweit Schlittschuhlaufen. Das kleine Stück, das wir gelaufen sind, hat uns sogar an einen kleinen „Beach“ geführt. Von dort aus und von einem höhergelegenen Weg aus hat sich uns zudem ein idealer Blick auf Edmontons Skyline geboten.

Die bunten Bäume und das fallende Laub haben Herbstfeeling aufkommen lassen.

Während des Stadttrips habe ich glücklicherweise noch eine dicke Schlafanzughose erworben. Mir wird es nämlich langsam trotz Laken und zwei Decken nachts ein bisschen kühl in meinem Zimmer…

Zurück auf der Farm haben wir es uns abends mit Popcorn gemütlich gemacht und eine kleine Movie Night veranstaltet. Das haben wir wohl alle wirklich mal gebraucht – auch wenn wir dafür wertvollen Schlaf eingebüßt haben, was sich am nächsten Morgen ziemlich bemerkbar gemacht hat. Der Tag wurde dementsprechend nicht der produktivste, auch wenn wir natürlich unsere täglichen „Chores“ erledigt, gefüttert und weitergeerntet haben.

Nach dem Wochenende ging es dann wieder busy weiter: Wir haben einen ganzen Vormittag Zäune kontrolliert und ausgebessert, nachdem wir noch vor dem Frühstück erst mal die Katze einfangen mussten, die es über Nacht irgendwie geschafft hat, nach draußen zu entwischen. Später mussten die Löcher, die die Hühner in ihrem Auslauf gescharrt haben, zugeschüttet werden. Die Hühner haben sich nämlich quasi durch den Zaun gegraben und wir in der Folge verhindern, dass sie ausbrechen. Dabei habe ich mir leider den Kopf an einem Metallteil des Traktors gestoßen, was mir ordentliche Kopfschmerzen für die nächsten Tage eingebracht hat. Im Grunde haben wir schon darauf gewartet, dass das irgendwann jemanden von uns ereilt.

Im Garten haben wir als nächstes jede Menge Rote Beete ausgegraben und die letzten Tomaten eingesammelt, die dort aufgrund ihrer geringen Größe noch verblieben waren. Dir Mini-Tomaten haben uns deshalb einiges an Zeit und Nerven gekostet. Außerdem mussten wir alle bereits geernteten Tomaten noch einmal neu zum Reifen in Boxen packen. Irgendetwas ist wohl nass geworden und ein paar Exemplare sind in der Folge verschimmelt…

Daneben haben wir an neuen Verkaufsschildern für den Trailer und als Hinweisschild am Highway gearbeitet. Das kleine Schild, das Vorbeifahrende bisher auf Eier und Honig aufmerksam macht, wird wohl bald im Schnee versinken und nicht länger seinen Zweck erfüllen können.


Zum Ende der Woche wurde es dann noch Ernst: Mein erstes Mal Kühe treiben und sortieren. Das ist sogar eine eigene Disziplin im Westernreiten, Cutting genannt. Ich war ziemlich überrumpelt, weil ich damit so früh noch gar nicht gerechnet habe. Wir hatten ja gerade erst angefangen, mit der Flag zu arbeiten. Aber gut, learning by doing war dann eben angesagt. Auch wenn es definitiv etwas anderes ist und natürlich Übung braucht, bin ich stolz auf mich, dass ich bei meinem ersten Mal zumindest eine kleine Hilfe sein konnte. Und nachdem ich meinen anfänglichen Respekt für die Rinder etwas überwunden habe, hat es sogar ziemlich Spaß gemacht. Das Meiste hat auch irgendwie besser geklappt. Wahrscheinlich hilft das Adrenalin und die Tatsache, dass ich mich dabei hauptsächlich auf die Kühe konzentriere. Nach einer Weile habe ich auf jeden Fall begonnen, ein besseres Verständnis und Gespür für ihre Bewegungen und Reaktionen zu entwickeln. Das ist von größter Bedeutung, weil ich in dieser Disziplin ja genau darauf Einfluss nehmen soll. Eine weitere Herausforderung ist das Öffnen und Schließen von Toren vom Pferderücken aus. Ich habe festgestellt, dass das zwar meistens sehr einfach aussieht, in der Praxis jedoch einiges an Koordination erfordert. Es ist eine gute Übung, bei all der Ungeduld, die teilweise um mich herum herrscht, die Ruhe zu bewahren und mir die Zeit zu nehmen, die ich brauche. Damit kommt man ja bekanntermaßen letztendlich schneller ans Ziel… :D

Tolle Himmel gab es natürlich auch wieder:

Obwohl ich nach wie vor teilweise das Gefühl habe, den Anforderungen, die sie hier an uns stellen, nicht gerecht werden zu können, war die achte Woche vollgepackt mit anstrengenden wie lehrreichen Erfahrungen, für die ich dankbar bin. Unabhängig davon, in welcher Hinsicht, kann ich aus meinem Stay hier schon jetzt sehr viel mitnehmen, was mir auch später sicher noch sehr nützlich sein wird. Ob Heimwerker-Skills, ein besseres Verständnis für andere Sichtweisen oder den Umgang mit Tieren und Menschen – dafür lohnt es sich bisher auf jeden Fall!


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