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Update: Woche 11




Kalt ging es weiter in meiner 11. Woche auf der Farm: Neben dem morgendlichen Raureif bei schneidend kalter Luft sind als nächstes die Pfützen auf dem Hof gefroren. Erst nur eine dünne Schicht, aber nach ein paar Tagen konnte ich bereits ein bisschen darauf herumschlittern :D

An einigen Tagen hat die Höchsttemperatur kaum die 0-Grad-Marke erreicht, morgens waren es beinahe -10 Grad - das ist schon so ziemlich das Kälteste, dass der deutsche Winter in den letzten Jahren zu bieten hatte! Und hier ist es gerade mal der Anfang…





Nicht nur die Pfützen sind gefroren, sondern leider auch das Wasser in den Tränken der Tiere. So durften wir bei Minusgraden und eisigem Wind Heater in die Behälter einbauen und mit Wasser hantieren. Das Schwierigste und Verwirrendste hier, was die Verständigung angeht, sind für mich wahrscheinlich die ganzen verschiedenen Tools mit ihren Bezeichnungen, die ich bis dahin noch nicht einmal auf Deutsch gewusst hätte, haha.

Danach waren wir jedenfalls ordentlich durchgefroren. Da war es gut, dass wir uns im Haus am Kamin aufwärmen konnten.

Auch an den nächsten Tagen, in der wir zwischendurch immer wieder Schneeregen hatten und die Nasskälte langsam durch alle Kleidungsschichten gekrochen ist. So sehr ich mich über den Kälteeinbruch freue.

Draußen war es rutschig und die Nässe hat die Paddocks allmählich in eine Schlammlandschaft verwandelt, die mich an meine allerersten Wochen hier erinnert hat. Das hat nicht nur das wöchentliche Kühetreiben erheblich erschwert (und Außenstehenden sicher einen amüsanten Anblick verschafft), sondern auch den armen Tieren zugesetzt. Das erste Kalb ist an einer Erkältung gestorben und bald darauf haben weitere gehustet. Bei einem der Kälber ist es in eine Lungenentzündung ausgeartet, sodass es kaum atmen konnte. Wir haben die kranken Rinder aus der Herde aussortiert und ihnen Medizin gespritzt. Jetzt heißt es abwarten und hoffen, dass sie Abhilfe schafft – der keuchende Atem des Kalbes ist kaum mitanzuhören :(

Ansonsten haben wir uns handwerklich ein wenig im Haus betätigt, eine neue Gardinenstange installiert und uns mit der verstopften Spüle herumgeschlagen.

An einem Tag war die Massagetherapeutin noch einmal kurz da und an einem anderem haben wir ein paar letzte Fotos von einer Jährlingsstute für den Verkaufskatalog geschossen. Nach zwei Wochen konnten wir dann auch endlich das erste volle Dutzend brauner Eier im Kühlschrank verzeichnen... Außerdem haben wir ein lustiges Tool (bestehend aus einem alten Besenstiel, einer Nudelkelle und jeder Menge Tape) zum Eiersammeln gebastelt - es ist rückenschonend und funktioniert einwandfrei! :D

Die wöchentlichen Einkäufe haben wir natürlich auch erledigt und an einem Nachmittag hat Aru, einer der Schäferhunde, für Lacher gesorgt: Der Farmer war morgens mit seinem Truck losgefahren, um Rinder auszuliefern. Als er sie ausladen wollte und den Trailer geöffnet hat, kam auf einmal Aru heraus – der hatte sich wohl irgendwie hineingemogelt. Drei Stunden lang ist er unbemerkt im Anhänger zwischen den Kühen mitgefahren. So schlimm kann es allerdings nicht gewesen sein, denn, als der Farmer unerwartet früh zurückgekehrt ist und ihn auf der Ranch abgesetzt hat, wollte er direkt wieder mit :p


Die Zeit zwischen alldem haben wir uns vor allem mit Crafting oder in der Küche vertrieben. Der Berg der mittlerweile reifen Tomaten hat nach und nach eine Größe erreicht, der unser Appetit allein nicht mehr gewappnet war. Die Lösung hieß Tomatensuppe und selbstgemachte Salsa (kann ich, als sonst eher weniger großer Tomatenfan, wirklich nur empfehlen!). Die Salsa macht sich auch auf Pizza ziemlich gut!

Als ungesunden Gegenpart haben wir uns an Rice Crispies versucht – ich muss sagen, die sind ziemlich idiotensicher. Im Grunde formen sie nur eine klebrige Masse aus Marshmallows und Rice Cereal, haha.


An einem Abend hat uns die Farmerin in einer Mall abgesetzt, während sie an einem Kurs teilgenommen hat. Ich genieße es als Stadtkind dann ja doch, zwischendurch mal unter Menschen zu kommen. Wir haben uns erst mal mit Süßigkeiten eingedeckt und anschließend die Geschäfte nach warmen und erschwinglichen Wintersachen durchsucht - allmählich kann der Inhalt meines Koffers nämlich nicht mehr mit den Temperaturen mithalten. Die Washrooms waren riesig!!!

Am nächsten Tag hat uns eines der beiden anderen Mädchen leider schon wieder verlassen müssen. Ein trauriger Morgen, aber ja hoffentlich kein Abschied für immer. Bei den Distanzen hier, haben wir zurück in Europa eigentlich keine Ausreden mehr :p

Am Wochenende gab es keine speziellen Aktivitäten, dafür sind wir zwei verbliebenen Mädels spontan allein in die nächste Town gefahren. Da hatten wir dann Zeit, sie endlich mal in Ruhe zu erkunden und danach noch im einzigen Coffee Shop weit und breit vorbeizuschauen :)

Am Montag danach, dem 14. Oktober ist endlich das Fest gekommen, dem ich schon lange freudig entgegengeblickt habe: das kanadische Thanksgiving (zeitlich früher als in den USA).

Am ehesten vergleichbar wäre es wohl mit dem Erntedankfest in Deutschland – nur ist es hier für manche fast noch wichtiger als Weihnachten. Wir haben den ganzen Tag von morgens bis abends in der Küche gestanden und das aufwendige Abendessen vorbereitet. Manche Familien veranstalten das auch schon am Tag davor oder fangen um 15 Uhr mit dem Essen an, da sie am Dienstag wieder zur Arbeit mussten.

Bei uns gab es traditionell Turkey mit Stuffing (erinnert inhaltlich und geschmacklich irgendwie ein bisschen an Semmelknödel), Sweet Carrots, Kartoffeln, Buns (kleine Brötchen), Gravy und Cranberry Sauce – im Grunde alles selbstgemacht. Daneben haben wir noch Kürbissuppe gemacht und die Kerne geröstet. Die übrig gebliebene Kürbishälfte haben wir kurzerhand ausgehöhlt und in eine sehr dekorative Suppenschüssel verwandelt. Weiter ging es mit den süßen Speisen: Apple und Pumpkin Pie (mega lecker!!!), dazu haben wir später Vanilla Ice Cream serviert. Das Schwierigste war, alle einzelnen Bestandteile des Gerichts zu koordinieren und die verschiedenen Garzeiten abzupassen, sodass alles zur perfekten Zeit fertig war. Es war ein sehr anstrengender sowie lehrreicher Tag und am Schluss hat sich all die Arbeit definitiv gelohnt – das Essen war köstlich und an diesem Abend ist definitiv jeder mehr als satt geworden. Irgendwann haben wir alle bloß noch weitergegessen, weil es so lecker war, haha. Ein anderer Farmer, der hier regelmäßig aushilft, ist als spontaner Gast vorbeigekommen und wir haben uns einen Moment genommen, um zu sagen, wofür wir dankbar sind. Und wenn es eine noch so simple Kleinigkeit ist. Eine wirklich schöne Tradition, finde ich. Es ist ein Fest des Gebens und des Zusammenseins – ein willkommenes Gegengewicht zu dem üblichen Geschenke- und Konsum-Wahnsinn…

Am nächsten Tag gab es dann als Lunch Snack Turkey Salad Sandwiches – ebenfalls sehr typisch, um all die left-overs zu verwerten (die reichen noch für ein paar weitere Tage…). Wir brauchten alle ein bisschen Erholung nach dem Tag in der Küche und all dem Essen. So haben wir später spontan die Scary-Movie-Season mit der vier Stunden langen alten „It“-Version eröffnet. Hauptsache die Katze neben mir war tiefenentspannt. Why would she want to „float“ if she could lay by the fireplace instead? xD

Passend dazu gab es an einem Abend der Woche einen spektakulären Vollmond, der sich orange vom Horizont erhoben hat, eingerahmt von pinken Streifen.

Nach den nassen Tagen kam schließlic auch die Sonne zurück. Als ich nach getaner Arbeit trotz Kälte auf der Bank unter dem (mittlerweile kahlen) Apfelbaum im Garten gesessen, gelesen und den Himmel bewundert habe, der sich in traumhaften Pastelltönen zeigte, konnte sie sogar mich als Schlechtwetterliebhaberin für sich erwärmen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Gesprächsthema Nummer eins waren in dieser Woche die unmittelbar bevorstehenden Parlamentswahlen. Der Wahlkampf ist in vollem Gange und dominiert seit Wochen die News. Die Gemüter der Einheimischen sind mittlerweile derart erhitzt, dass ich fast froh bin, dass die Spekulationen bald ein Ende haben – auch wenn ich das Thema in der Beobachterrolle wahnsinnig interessant finde und die Gelegenheit nutze, mich etwas näher mit dem kanadischen Staatsapparat und politischem System auseinanderzusetzen.

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