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Update: Woche 3

Aktualisiert: 1. Sept. 2019


Und wieder ist es an der Zeit, euch auf den neusten Stand zu bringen.

Drei Wochen bin ich nun schon auf der Ranch und die letzte war in der Tat keine einfache, sondern ziemlich durchwachsen…

Erst einmal habe ich wieder sehr viel dazu lernen dürfen, zum Beispiel wie man Marmelade, flavoured honey und Seife macht. Für die Marmelade und den Honig haben wir Himbeeren gesammelt. Das hat sich eher zufällig ergeben, denn zu der Ranch gehören witzigerweise auch ein paar Haflinger, die reine Zuchtpferde sind. Sie stehen nicht auf der Ranch, sondern eine kurze Autofahrt entfernt auf einer Weide. Dort haben wir jede Menge Himbeersträucher entdeckt und weil der Grundstücksbesitzer keine Verwendung für die Unmengen an Beeren hatte, durften wir sie pflücken – natürlich hat er im Gegenzug die Endprodukte kosten dürfen ;)

Am Wochenende haben wir in der Redwater Parade teilgenommen. Im Grunde erinnert das Ganze ein bisschen an Karneval in Deutschland: Eine lange Kolonne aus Wagen, einer Bläsergruppe und jeder Menge Bonbons und anderen Süßigkeiten, die den Zuschauenden am Straßenrand zugeworfen werden. Oder wenigstens entfernt. Denn natürlich ist es größenmäßig kein Vergleich. Die meisten Wagen sind einfach PickUps und Trucks, deren Ladeflächen geschmückt werden. Das Militär steuert eine Musiktruppe bei, die örtliche Feuerwehr zeigt mit Oldtimern Präsenz und die lange Wagenreihe wird von der Polizei angeführt – selbstverständlich mit eingeschalteten Lichtern und Soundeffekten.

Und es sind auch keine Menschenmassen, die dem Umzug beiwohnen. Im Grunde haben die Bonbonwerfer jedem einzelnen ganz bewusst eine Handvoll Süßigkeiten vor die Füße streuen können und zwischendurch vielleicht noch einen Nachbarn am Straßenrand gegrüßt.

Ich musste deshalb schmunzeln, als die Rancherin später die Frage eines Daheimgebliebenen, ob denn viele Menschen dagewesen seien, bejaht hat. Wahrscheinlich war fast die ganze Town auf der Straße. Nur dass die Einwohner eben nicht unbedingt viele sind. Jedenfalls nicht für die Verhältnisse, die ich gewohnt bin und an denen ich meine Beobachtungen natürlich immer unbewusst messe, haha.

Anlass war übrigens der Discovery Day, an dem an die Geschichte und das kulturelle Erbe der Gegend erinnert wird.

Geritten bin ich auch recht oft und ich mache zu meiner Freude sichtlich Fortschritte. Den jungen Fuchswallach, den ich die letzten Male geritten bin, habe ich auf jeden Fall schon ins Herz geschlossen. Er hat unglaublich sanfte Augen, die seinen Charakter bestens widerspiegeln. Als ich hergekommen bin, hatte er keinen richtigen Namen. Meistens war er einfach der „Sorrow boy“. Das konnte ich unmöglich mitansehen, weshalb ich ihn kurzerhand benannt habe: Milo. Der Name passt einfach zu ihm und er schien jedenfalls nichts dagegen zu haben. Seitdem haben die anderen das netterweise übernommen. Ich habe also schon mindestens eine gute Tat hier vollbracht :D

Angesichts dieser Ausführungen ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass ich nicht gerade begeistert war, als plötzlich die Überlegung im Raum stand, Milo an einen Mann zu verkaufen, den wir auf der Parade getroffen haben. Interessanterweise hat der sich entgegen aller Erwartungen nicht als professioneller Reiter herausgestellt und sich letztendlich gegen den Kauf entschieden.

Dafür kauft eine Freundin der Rancherin ihn nun, die ich allerdings sehr mag. Sie möchte ihn für die Zeit meines Ranchstays auch auf jeden Fall hierbleiben lassen und ich darf ihn weiterhin reiten :)

An unserem Einkauftag waren wir noch in einem großen Lederstore, in dem wir einige Utensilien für Lederarbeit besorgt haben. Die ist hier insbesondere in der kalten Jahreszeit (die Dreiviertel des Jahres umfasst) sehr populär.

Dort gab es noch ein lustiges Gespräch, denn als der Verkäufer erfahren hat, wo ich herkomme, hat er sofort nachgeschaut, ob es dort auch einen ihrer Stores gibt. Ja, gibt es. Einen in Europa. In Spanien. Ich musste mich wirklich zusammenreißen, weil die Situation einfach zu komisch war. Er hat sich das wohl ziemlich simpel vorgestellt, dass ich ja einfach mal am Wochenende oder so „rüber“ fahren könnte, haha. Das Distanzgefühl ist eben ein anderes, das habe ich ja schon an verschiedenen Stellen festgestellt…

Mein Beitrag zu unserem Essen war in der Woche ein Apfelkuchen – mit leckeren, frühreifen Äpfeln aus dem Garten. Es stimmt einfach, dass es gleich noch viel besser schmeckt, wenn die Zutaten zum Großteil unmittelbar von der Farm stammen und ich sie zuvor selbst sammeln und pflücken kann!

Überschattet wurde die Woche leider immer wieder von mehr oder weniger starken Anfällen von Heimweh. Insbesondere morgens. Ich denke, das ist völlig normal, insbesondere um diesen Zeitraum herum. Bis dahin hätte es zeitmäßig ein gewöhnlicher Urlaub sein können, aber so langsam ist es wohl endlich in Kopf- und Gefühlsebene angekommen, dass ich noch eine ganze Weile hierbleiben werde… Manche Dinge, Orte und vor alle Menschen fehlen eben doch und wenn die Tage so kräftezehrend sind, kommt da schnell mal mehreres zusammen. Im Vorfeld habe ich versucht, mich auf Situationen und Tage wie diese vorzubereiten, aber irgendwie muss man dann trotzdem damit klarkommen. Manchmal trifft es mich aus dem Nichts, wenn eine Erinnerung in meinen Gedanken auftaucht, ich ein Bild sehe oder vielleicht auch nur eine Liedzeile höre. Ich versuche in solchen Momenten ruhig zu bleiben, mich auf die positiven Erlebnisse, Erfahrungen und meine Dankbarkeit für diese unfassbar wertvolle Chance zu konzentrieren, die ich mit dem Ranchstay und dieser Reise erhalten habe. Außerdem setze ich auf Ablenkung.

Da hat es tatsächlich mal etwas Gutes, dass es auf der Farm keine ruhige Minute gibt.

Die dritte Woche war allerdings auch besonders hart. Das beste Beispiel ist der Tag, an dem wir morgens erst den Hühnerstall saubergemacht haben (es gibt schönere Tätigkeiten, aber ich habe es mir ehrlich schlimmer vorgestellt) und nachmittags noch Heu geliefert bekommen haben. Diesmal waren wir mit dem „hayguy“ nur zu viert und die Ballen waren noch größer (und schwerer!) als beim letzten Mal. Die erste Ladung an diesem Tag umfasste 120 Ballen, jeweils zwischen 70 und 90 lbs schwer. Und die mussten alle gestapelt werden. Danach waren wir mehr als erschöpft und ich dachte, die Rancherin macht Witze, als sie meinte, jetzt würde direkt noch eine zweite Lieferung kommen. Leider nein. Knapp zwei Stunden später durften wir dann noch einmal dieselbe Menge Ballen stemmen – am Schluss haben wir sie mehr gerollt als gehoben und am Ende des Tages habe ich meine Arme kaum noch gespürt. Ich war einfach nur dankbar, als ich irgendwann mal für einen Moment auf dem Sofa sitzen und entspannen konnte.

Dieser Moment war allerdings nur von kurzer Dauer, denn als ich beiläufig aus dem Fenster gesehen habe, liefen dort auf einmal Pferde frei über den Hof. Zwei Hengste sind ausgebrochen und aneinandergeraten. Sie waren weit über den Punkt hinaus, sich zu „unterhalten“, sondern meinten es ernst. Todernst. Wir hatten reichlich Mühe, die beiden kämpfenden Muskelpakete auseinanderzukriegen und zu beruhigen, aber irgendwie haben wir es geschafft. Es ist immer wieder erstaunlich, woher man nach einem solchen Tag noch die Energiereserven hernimmt. Irgendwelche Zwischenfälle haben wir hier aber fast täglich: Es geht etwas kaputt, irgendjemand kommt mit einem Anliegen vorbei, wir müssen etwas besorgen fahren, und und und.

Ich wollte eigentlich im August kommen, damit ich noch ein paar Wochen zum Einleben habe, in denen es etwas ruhiger zugeht – bevor im kurzen Herbst all die Vorbereitungen für den Winter getroffen werden müssen. Nur dass das Wetter dieses Jahr teilweise verrücktspielt und dadurch alles etwas durcheinanderkommt. Wie die Äpfel beispielsweise.

Ich denke, ein Faktor, der das Heimweh zusätzlich ausgelöst hat, war auch mein nahender Geburtstag am Ende der Woche. Ich mache daraus eigentlich kein allzu großes Ding, aber es ist doch komisch, an diesem Tag nicht meine Freunde und Familie um mich gehabt zu haben. Die Macht der Gewohnheit hat mich eine seltsame Leere fühlen lassen, es hat mir aber auch gezeigt, was ich für tolle Menschen in meinem Leben habe – auch wenn sie vielleicht momentan nicht unmittelbar an meiner Seite sind, so sind sie es doch in ihren Gedanken, ihren Nachrichten oder auch indem sie beim Lesen dieses Blogs an meinen Erfahrungen teilhaben. Sie sind es wert, dass ich sie vermisse und das wiederum ist im Grunde ein sehr schönes und tröstendes Gefühl, das mir sehr geholfen hat. Genau das meine ich, wenn ich mich auf das Positive konzentriere.

Vormittags hat mich der Hufschmied auf andere Gedanken gebracht (ein wirklich unglaublich netter, lustiger Mensch) und nachmittags wollten wir eigentlich spontan in die Stadt fahren. Weil dann allerdings niemand auf der Ranch gewesen wäre, mussten wir die Pläne kurzfristig ändern. Stattdessen gab es eine Taco-Night und wir haben uns endlich mal ein bisschen Erholung von den letzten Tagen gegönnt.

In die Stadt ging es dafür am nächsten Tag, als Auftakt der neuen Woche. Die Rancherin hat mich mit zur Whyte Ave genommen. Da ist sozusagen das Künstlerviertel Edmontons, das mir mit seiner alternativen Szene, vielen kleinen Krimskramsläden, Cafés, Goodwill-Basaren und jeder Menge Kunstgalerien auf Anhieb sehr gefallen hat. Wir haben (bis auf eine Vorbeifahrende Autofahrerin) ausnahmslos freundliche Leute getroffen und die ganze Atmosphäre war einfach angenehm. Am Ende des Nachmittags haben wir nicht einmal ein Viertel des Districts gesehen, aber sofort entschieden, auf jeden Fall wiederzukommen. Mit noch mehr Zeit hoffentlich. Darauf freue ich mich jetzt schon wahnsinnig!

Zwischendurch gab es zur Stärkung einen superleckeren Cookie und zum Abschluss haben wir wieder einmal im Bookstore vorbeigeschaut – es ist wirklich ein Glück, dass ich mit meiner Bücherleidenschaft hier nicht alleine bin. Wir müssen uns jedes Mal zusammenreißen, nicht den ganzen Laden leerzukaufen :p

So hat diese sehr nerven- und kräftezehrende Woche doch noch einen positiven Abschluss gefunden, beziehungsweise damit direkt die nächste Woche eröffnet.

Seid gespannt wie sie sich weiterentwickeln wird – ich bin es auf jeden Fall!

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